Bei der Diskussion um die Frage der Nachhilfe für Hartz-IV-Empfänger wurde inzwischen offenbar festgestellt, dass Nachhilfe Geld kostet, vor allem dann, wenn es sich um professionelle Nachhilfe handelt:
Professionelle Nachhilfeinstitute halten für unterschiedliche Problemstellungen unterschiedlich qualifizierte Nachhilfelehrer mit unterschiedlichem Alter und Erfahrungsreichtum an unterschiedlichen Standorten bereit, um Schulprobleme unterschiedlicher Schüler mit geeigneten Personen, Qualifikationen und Lernmethoden möglichst schnell aus der Welt zu schaffen.
Für eine besondere pädagogische Herausforderung halte ich die Nachhilfe für Sitzenbleiber, die sich nach dem Sitzenbleiben neu orientieren und organisieren müssen, um in der Schule wieder Fuß fassen, unter veränderten Rahmenbedingungen, mit neuen Mitschülern und Lehrern. Wäre der Einsatz von Nachhilfe nicht gerade bei Sitzenbleibern dringend anzuraten, zur Gewinnung von neuem Selbstvertrauen durch motivierende Unterstützung bei der Aufarbeitung von Grundlagen und Stofflücken und durch Vermittlung neuer Lernmethoden?
Wie ich gerade in der Berliner Zeitung lese, wird es für Hartz-IV-Empfänger wohl keine professionelle Nachhilfe der oben beschriebenen Art geben – auch keine Nachhilfe für Sitzenbleiber oder Schulschwänzer, die das Klassenziel – aus welchen Gründen auch immer – nicht erreichen konnten.
Ob mit oder ohne Bildungsgutschein, die Nachhilfe außerhalb der Schule soll es dem Anschein nach nicht geben. Die Wiedereingliederung mit Nachhilfe-Unterstützung soll einkommensstärkeren Familien vorbehalten bleiben:
Sicherlich von juristischer Seite wird aktuell bemängelt, dass schwammige Formulierungen wie „angemessene Lernförderung“, … um „wesentliche Lernziele zu erreichen“ in Bezug auf die Nachhilfe für Hartz-IV-Empfänger im aktuellen Bildungspaket noch reichlich Interpretations- und Klagespielraum bietet.
Wenn sich die ursprüngliche Idee zum Bildungsgutschein nicht geändert hat, werden Lehrer zu entscheiden haben, wer Nachhilfe erhalten soll. Anschließend soll ein Amt darüber befinden, ob die Nachhilfe für diesen Schüler bewilligt wird.
„Fußballtraining ohne Fahrtkostenerstattung“ in allen Ehren. Aber …
- Könnte es nicht etwas bedenklich sein, wenn ein Lehrer ausschließlich das eigene Nachhilfeangebot an der eigenen Schule empfehlen soll?
- Kann die Lernumgebung für den Nachhilfeerfolg nicht eine entscheidende Rolle spielen?
- Kann ein Schüler von jemandem lernen, zu dem er kein Vertrauen hat?
Was tun, wenn zwischen Lehrer und Schüler die Chemie vergiftet ist? - Sind Sitzenbleiber und Schulschwänzer nicht in besonderem Maße nachhilfebedürftig?
Es ist sicher nicht einfach für Politiker, für die Nachhilfe einen guten und finanzierbaren Kompromiss zu finden. Momentan beschleicht mich etwas das Gefühl, dass die Nachhilfediskussion ein bisschen vom „Pfad der Jugend“ abgekommen ist. Ich könnte mir vorstellen, dass gerade ein Sitzenbleiber einen besonders guten Nachhilfelehrer braucht und habe dafür auch ein aktuelles Beispiel. So kenne ich eine Schülerin persönlich, die nach dem Sitzenbleiben die Schule wechselte und plötzlich mit Höchstleistungen glänzt. Mit gezielter Nachhilfe in der Übergangsphase bekommt sie Stand heute sehr gute Noten und überraschte zuletzt sogar mit der besten Mathearbeit ihrer neuen Schulklasse. Das führt natürlich zu neuem Selbstvertrauen und weckt die Lust auf mehr – übrigens auch bei den Eltern, die aber jetzt nicht mehr fordern, sondern auch fördern…
Sitzenbleiber müssen sich neu orientieren, haben Ängste, Probleme und Wissenslücken aufzuarbeiten. Auch wer die Schule regelmäßig schwänzt wird seine Gründe dafür haben, die möglicherweise nicht nur im schulischen Umfeld zu suchen sind. Wer ein Problem mit seinen Lehrern oder Mitschülern hat, wird in der Schule kaum nachhaltig lernen und Leistung abliefern können. Wohl dem, der seine Nachhilfe zu Hause oder in ähnlich störungsfreier Umgebung genießen darf – auch wenn es den Anschein hat als würde individuelle Hilfe für Hartz-IV-Empfänger nach aktuellem Stand (der Berliner Zeitung) eher die Ausnahme bleiben.
Unterm Strich bleibt vorerst ein interessanter Schachzug mit etwas seltsamem Beigeschmack bei mir hängen:
- Müssen Schulen die Nachhilfe überhaupt bewilligen lassen?
- Haben sie ausreichend Möglichkeiten zur individuellen Förderung?
- Werden Schulen für Nachhilfe ein Budget durchsetzen (können)?
- Kann mit Nachhilfe vielleicht die Schulkasse aufgepeppt werden?
- Könnte Nachhilfe dadurch tendenziell großzügiger „verordnet“ werden?
- …
Nun ja. Wie der finale (Nachhilfe-Ent-)Wurf aussehen wird, bleibt abzuwarten.
Warten wir`s ab…
P.S.: Sollte das Sitzenbleiben nicht abgeschafft werden?
Vielleicht ja nur an den Schulen in Hamburg.
Update: Auch RP Online hat die „Nachhilfe für arme Kinder“ heute aufgegriffen. Demnach soll der Nachhilfezuschuss nun auch für Kinder von Geringverdienern gewährt werden, um eine Benachteiligung gegenüber Kindern von Hartz-IV-Empfängern, wie von vielen Leuten gefordert, auszuschließen.
[…] Nachhilfe derzeit selbst gar nicht leisten können. Zwischenzeitlich hieß es ja, dass Schulen die Nachhilfe selbst übernehmen sollten und die Verlagerung zu einem externen Nachhilfeinstitut im Rahmen des Bildungspakets kaum […]