Recht polarisierend, die neue Nachhilfe-Studie der Bertelsmann Stiftung:
Ausgaben für Nachhilfe – teurer und unfairer Ausgleich für fehlende individuelle Förderung
… lauten Fazit und Haupt-Überschrift der Bertelsmann-Bildungsforscher?
„Wow“, denke ich spontan, „könnte auch eine Schlagzeile der Bildzeitung sein.“ Die Zusammenfassung der Nachhilfestudie wirkt auf den ersten Blick veraltet. 2006? Betrachten wir die Nachhilfe-Studie doch einfach einmal etwas genauer. Um eine reine Ablehnungserklärung gegenüber individueller Förderung des Nachwuchses durch Nachhilfe kann es sich ja wohl nicht handeln. Oder doch?
Derzeit genießen gemäß Bertelsmannstudie knapp 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler Nachhilfe in Deutschland. Für die außerschulische Nachhilfe werden in Deutschland zwischen 942 und 1.468 Millionen Euro ausgegeben, so die leider „etwas“ irritierend unpräzise Angabe der Nachhilfe-Studie.
Anmerkung: Gehen wir von geschätzten 82.000.000 Einwohnern in Deutschland aus (wir sollen ja „schrumpfen“), ist die Pro-Kopf-Ausgabe zur individuellen Förderung durch Nachhilfe mit durchschnittlich etwa 14 Euro und 70 Cent pro Jahr (!) äußerst erschreckend gering!
Der geübte Kopfrechner wird festgestellt haben, dass ich meiner Nachhilfe-Kalkulation einfach großzügig einen Mittelwert aus den geschätzten Kosten der Bertelsmann-Nachhilfe-Studie zu Grunde gelegt habe. Der wachsame Statistiker wird bemerkt haben, dass ich dabei die Kosten der Erwachsenen-Nachhilfe ebenso unterschlagen habe, wie die Kosten, welche für Privatschulen aufzubringen wären. Verschwiegen habe ich auch die Kosten der Nachhilfe-Schwarzarbeiter. Die Fortbildungskosten, Fremdsprachentrainings, Berater-, Coaching- und Consulting-Kosten aller Art in der Erwachsenenwelt (also die Folgekosten in der Schulzeit ausbleibender Nachhilfe) würden natürlich deutlich massiver zu Buche schlagen. Wer noch besser aufgepasst hat, wird festgestellt haben, dass die Grundgesamtheit meiner Nachhilfekosten-Pro-Kopf-Kalkulation nicht valide sein kann. Wie wäre es mit Nachhilfekosten pro Schüler? Hey – so ist das eben mit der Statistik. Aber zu diesen Nachhilfe-Kosten kommen wir noch… 😉
Wenn die Bertelsmannstudie nun die Nachhilfe in Hamburg, Baden-Württemberg und auch im Saarland an den Pranger stellt, wundere ich mich erneut. Schließlich wissen wir doch eigentlich alle, dass Bayern sich, wo immer möglich, nicht so direkt zu Deutschland zählt (und sich in Sachen Bildung mit einem simplen Abitur sehr oft bereits zufrieden gibt, also im Grunde kein solides Basiswissen für`s Studium benötigt). Wie es den Anschein hat, wird die individuelle Förderung durch Nachhilfe vor allem in den das Bruttoinlandsprodukt anführenden Bundesländern genutzt, allen anderen Nachhilfefächern voran die Mathe-Nachhilfe. So ist es für mich als Vertreter der Wirtschaftswissenschafen nicht verwunderlich, dass Schüler am häufigsten mit Nachhilfe in Hamburg, Baden-Württemberg sowie im Saarland gefördert werden. Denn wo es Geld gibt, wird natürlich in die Zukunft investiert.
Nun ja. Die Anzahl der Schüler in Deutschland nimmt seit Jahren ab, die Bildungslücken hingegen nehmen zu. Im kommenden Monat werde ich im ABACUS Nachhilfe-Blog voraussichtlich einmal über meine eigenen Schätzungen schreiben, zum Stand der Schulreform in Hamburg oder auch deutschlandweit. Ich schätze, dass in Deutschland rund 100 Milliarden Euro fehlen, für das, was sich die Bürger in Deutschland als nachhaltige und deutschlandweite Schulreform erträumen. Ich schätze weiter, dass die existierende Staats- und Länderverschuldung eine solche Bildungsinvestition bei anhaltend schwieriger Wirtschaftslage in keinster Weise hergibt. Da ich nicht davon ausgehe, dass jeder Bundesbürger dazu bereit und in der Lage ist, die Schulreform mit einem Pro-Kopf-Einsatz von ca. 1.200 Euro zu finanzieren, wird die Nachhilfe wohl auch auf lange Sicht die erste Wahl bleiben, für die Zukunftssicherung der heutigen Schüler in Deutschland – und genau das scheint sich herumgesprochen zu haben.
Die Bertelsmann-Stiftung beziffert die Ausgaben für Nachhilfe pro Schüler bzw. Schülerin an allgemein bildenden Schulen mit durchschnittlich etwa 108 Euro pro Jahr. Der Betrag soll je nach Bundesland variieren, zwischen 74 und 131 Euro Nachhilfekosten – wohl gemerkt pro Jahr. Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber die Zukunft meines Kindes wäre mir wesentlich mehr wert, eine individuelle Förderung würde ich ohnehin nicht irgendeinem Lehrer überlassen und ich glaube auch nicht, dass der Lehrer, welcher ja auch nur ein Mensch ist oder das Schulsystem, das über Ewigkeiten hinweg dazu geworden ist, was es heute ist, an allem Übel Schuld sein kann. Die Welt hat sich verändert… und Leistung wird von jedem etwas früher verlangt als „in der guten alten Zeit“, wo man allerdings andere Sorgen und Beschwerlichkeiten hatte. Bildung gilt international als Wachstumsmotor Nummer 1 und wird vorausgesetzt. Besser man kümmert sich darum so früh wie möglich.
Lesen Sie hier die vollständige Bertelsmann-Nachhilfe-Studie, lassen Sie sich von meiner persönlichen Meinung nicht irritieren und machen Sie sich Ihr eigenes Bild. Ihre Meinung würde mich sehr interessieren.