Ich habe in der Zeitung gelesen, dass jeder zweite Gynmasiast Nachhilfe nimmt. Ist ein Großteil der Schüler dann nicht eigentlich auf der falschen Schule, wenn er dem Unterricht nur mit Nachhilfe folgen kann?
Eine interessante Frage nebst Antworten in der Online-Ratgeber-Community gutefrage.net. 56 Prozent empfinden Nachhilfe offenbar als „manchmal notwendig“, weitere 12 Prozent antworteten (Stand heute) sogar mit „Nachhilfe ist ganz normal„.
Vielleicht hat Nachhilfe auch oft etwas mit gesundem Menschenverstand, Ehrgeiz oder mit Vorsorge und Aufmerksamkeit der Eltern zu tun?
Wer die Möglichkeit hat, Nachhilfe für sich in Anspruch zu nehmen, braucht heute sicher nicht mehr zu befürchten, dafür als „lernschwach“ gehänselt zu werden. Wenn es Defizite gibt, sollte man Wissenslücken so schnell wie möglich schließen, um ein solides Fundament für die kommenden Schuljahre, für das Studium und nicht zuletzt auch für das Berufsleben aufzubauen. Leistungssportler haben einen Coach, Politiker genießen Kommunikationstraining, Führungskräfte nutzen Coaching und regelmäßige Schulungen. Sie alle genießen in gewisser Weise regelmäßig „Nachhilfe“!
Kann Nachhilfe trotzdem „anrüchig“ für Kinder oder Jugendliche sein? Sollte man nicht auch und gerade das Lernen selbst heute frühzeitig als förderungswürdig betrachten, den Nachhilfelehrer als Coach akzeptieren, um mit seiner Hilfe höhere Ziele anzusteuern? Immerhin leben wir in einer Wissensgesellschaft, in Zeiten beschleunigter Veränderungsprozesse, in Zeiten lebenslangen Lernens – und Schüler haben noch keine Berater, die das Denken für sie übernehmen könnten. Entschuldigung, fast keine Berater:
Auch das Spicken will gelernt sein.
Aber vielleicht wäre Nachhilfe etwas weniger riskant? 😉
Gewiss wird Nachhilfe auch heute noch sehr häufig dazu genutzt, versetzungsgefährdende Defizite erst in letzter Sekunde auszugleichen, regelmäßiges Lernen verbessert den Notenspiegel und schafft ein solides Fundament für die Zukunft. Dass es heute nicht mehr ausreicht, das Lernen selbst erst nach der Schule zu erlernen, sehen wir aktuell an der Überforderung der Studenten mit dem neuen Bachelor-Studiensystem. Es mag nicht ausreichend durchdacht sein. Aber ist es wirklich sooo schlecht, dass man gar nicht mehr damit studieren kann, wie manch einer behauptet?
Nachhilfe ist nur sehr selten in allen Fächern erforderlich. Meist wird sie dazu genutzt, den Anschluss in bestimmten Fächern wieder herzustellen. Für ein Entgleisen in der Schule kann es die unterschiedlichsten Gründe geben. Wo der wahre Grund für schlechte Noten gefunden wird, kann i.d.R. gezielt und zügig geholfen werden. Wer die Möglichkeit hat, mit Hilfe professioneller Nachhilfe Wissenslücken zu schließen und strukturiertes Lernen zu erlernen wäre doch eigentlich blöd, wenn er die Möglichkeit zur Nachhilfe nicht nutzt. Oder?
Wie stehen Sie zur Frage der Nachhilfe? Kennen Sie auch einen hervorragenden Richter, Anwalt oder Architekten, der während seiner Schulzeit Nachhilfe genossen hat und wegen vorübergehender Leistungsdefizite in der Schule damals nicht gleich auf die Real- oder Privatschule wechseln musste? Ist es heutzutage eigentlich auch peinlich Klavier-, Golf-, Karate- oder Reitstunden zu nehmen? Kommt man da auch mit Schummeln weiter? 😉
Ich persönlich denke, das ist wohl klar geworden, dass Nachhilfe allein keinen Grund für einen Schulwechsel liefern kann. Schule wechseln bedeutet in ein neues (Lern-) Umfeld zu wechseln, mit neuen Anforderungen und neuen Herausforderungen. Das kann aus anderen Gründen manchmal sicher sinnvoll sein, kann aber auch neue Probleme nach sich ziehen, mit unmittelbarem Einfluss auf die Lernmotivation des Schülers.