Wenn Bildungspolitik und Schulreformen über Jahrzehnte hinweg keine Besserung bewirken – so lehren es uns zahlreiche Beispiele von Public High Schools in den USA – geraten zunächst Schüler und Lehrer zunehmend unter Druck, denn beide sollen Ergebnisse liefern, die Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit zufrieden und die Zukunft der Schüler sicher stellen.
Kochen Probleme und Zukunftsaussichten von Schülern einer Public High School in der Öffentlichkeit hoch, führt dies zu zahlreichen Studien, Forschungen, Test-Versuchen und in den USA sogar zu Kino-Filmen, welche die Öffentlichkeit in ihren Bann ziehen.
Spannend wird es, wenn die Öffentlichkeit herausfindet, dass nicht die Lehrer, sondern die eigenen „Communities“ Schuld an allem Übel sein sollen. Werden Communities das Wohl der Schüler künftig selbst in die Hand nehmen?
In Amerika, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wurden schon viele Versuche zur Verbesserung der Lern- und Lehrqualität gestartet.
Bildungsprojekte in den USA (Beispiele)
Dazu gehören sogar Nachhilfe – Modell-Versuche, bei denen Schüler mit Schwächen in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern dafür bezahlt wurden, dass sie an Nachhilfeunterricht teilnahmen. Wer sich durch Nachhilfe in Mathe & Co. verbessern konnte, erhielt obendrauf eine Sonderprämie. Sehr gut nachvollziehbar, dass die nachhilfebedürftigen Schüler von dieser Art der Nachhilfe besonders begeistert gewesen sein sollen. Ich gehe einmal davon aus, dass die bezahlte Nachhilfe nicht nur besonderes Interesse, sondern auch die gewünschten Nachhilfeerfolge in Mathematik und den benachbarten Fächern bewirken konnte. Kleiner Haken an der Sache: Die kostenlose Nachhilfe mit Teilnahmevergütung und Leistungsbonus war auf 20 Personen beschränkt.
Aktuell ziehen in den USA Computer in die Bildungslandschaft ein. Während in Korea bereits die ersten Englisch-Stunden bei Robotern genommen werden (darüber wurde hier im Nachhilfe Blog beim Unterrichtsausfall schon beiläufig berichtet), können die ersten Schüler in New York und Philadelphia schon aus dem Vollen schöpfen, mit gesponserter Technik, Laptops und iPads. Hinter diesen High-School-Chancen verbergen sich durchaus auch Risiken. Darauf kommen wir weiter unten noch zurück.
Das neue Bildungsmanifest
Auf Washington D.C. beschränkt war ein aktueller Modellversuch, der dort die Bildungsqualität an öffentlichen Schulen derart massiv verbessert haben soll, dass das Wall Street Journal sich heute dazu veranlasst sah, ein Bildungsmanifest zu veröffentlichen:
Ausgerechnet die öffentliche Schulen in Wahington D.C. boten in der Vergangenheit besonderen Zündstoff für Bildungskrisen-Diskussionen. Um an sozialen Brennpunkten Herr der Lage zu werden, wurde eine härtere Gangart eingelegt, die für manche Schulen künftig wegweisend sein könnte und im Bildungsmanifest festgehalten wurde:
- Für „untragbar“ befundene Schulen wurden geschlossen.
- Wie in Rhode Island wurden auch in Washington eine Menge als „nicht leistungsfähig“ eingestufte Lehrer gefeuert.
- Bei den ausgesprochenen Lehrer-Kündigungen wurde nicht das (ver)alte(te) Prinzip („Wer zuletzt kam, geht zuerst…“), sondern ein Leistungsprinzip angewendet.
- Ein „Recht auf Lehrerstatus / Beschäftigungsgarantie“ wurde abgeschafft.
- Die nach Austausch von 2/3 der Belegschaft verbliebenen Lehrer wurden auf leistungsgerechte Bezahlung (Bonus-System) umgestellt, weil eine Vergütung nach „Betriebszugehörigkeit“ (Lehrjahren) und „Anzahl besuchter Fortbildungskurse“ (Weiterbildungsbescheinigungen) als unvereinbar mit der Lehraufgabe und tatsächlichen Zielerreichung befunden wurde.
Satte 80 Prozent der Lehrer in den USA sollen der Umstellung auf leistungsabhängige Vergütung ohne Job-Garantie zugestimmt haben. Ihr Vorteil: Das bei guter Leistung erreichbare Zielgehalt wurde deutlich angehoben. Weitere Informationen zum Bildungsmanifest und den Erfolgen für die Schüler können im Wall Street Journal nachgelesen werden.
Lehrer sind gewiss die treibende Kraft einer Schule – und doch sind die Probleme der US-High-Schools und Schulen an sozialen Brennpunkten wesentlich vielschichtigerer Natur:
Bullying in USA und Deutschland
Auch was Schüler in Deutschland betrifft, hört man immer öfter von „Bullying„. Der Begriff Bullying wird stellvertretend für das Mobbing in der Schule verwendet. In Deutschland sind die Möglichkeiten zur juristischen Verfolgung von Bullying- bzw. Mobbing-Sündern relativ klar geregelt, in Amerika ist die Verfolgung nicht immer ganz so einfach möglich. Hier zu Lande hat die Polizei bereits ein Anti-Bullying-Programm herausgegeben, das primär als Vorbeugungsmaßnahme für „Gewaltdelikte“ gedacht ist. Dazu gesellt sich nun ein weiteres Problem, das
Cyber-Mobbing: Bullying bei Facebook & Co.
Wie eine brand aktuelle Ethik-Studie aus den USA und eine Charakterstudie aus 2009 verdeutlichen, scheint es um Ethik und Moral in den USA immer schlechter bestellt zu sein, was auf die Qualität der Schulausbildung und auf die Bullying-Problematik unmittelbare Auswirkungen haben dürfte. „Kinder lernen von ihren Eltern“, wodurch sich der Studie nach von Generation zu Generation immer schlechtere Wertevorstellungen „vererben“. So zeigt die Neuauflage und Erweiterung einer Josephson-Studie von 2008, dass 50 Prozent (von über 43.000 befragten High-School-Schülern) bereits gemobbt wurden, fast so viele High-School-Schüler gaben an, im vergangen Jahr selbst erfolgreich gemobbt zu haben.
Details der Ethik-Studie des Josephson Instituts 2010 zeigen, dass ein Großteil der Schüler an der Schule Gewalt befürchtet – ein Umfeld, in dem man sicher nicht effektiv lernen kann – insbesondere wird die Bedrohung durch das Cyber-Mobbing immer größer, dem in den USA schon einige Selbstmordopfer zugeschrieben werden, die den US-Präsidenten kürzlich zu einer Video-Ansprache auf CNN veranlassten.
Ebenfalls bei CNN wurde im September eine Liste von Ressourcen für Eltern und Lehrer zusammengestellt, als Orientierungshilfe im „Anti-Bullying-Kampf“.
Bildungskino:
Geschichten von High-School-Terror, Superman und Supernanni
Während man in Deutschland (trotz noch relativ hohem Bildungsniveau bereits) auf eine „Super-Nanni“ hofft, verdichtet sich in den USA der Eindruck, dass viele Kinder des in den USA stark angeschlagenen Bildungssystems trotz massiver Investitionen nur noch von Supermann gerettet werden können. Private Nachhilfe scheint dort den wenigsten Kindern noch helfen zu können, wobei die professionelle Nachhilfe vermutlich ohnehin eher den Besuchern privater Schulen vorbehalten bleibt. Wer sich in den USA keine Privatschule leisten kann, muss oft an öffentlichen Schulen Gewalt und Lotterieverfahren fürchten, daneben das oben beschriebene „Bullying“.
Der Kinofilm „Waiting for Superman„, von USA Today zu einem der Filme des Jahres gekürt, entfachte manche Diskussion zum amerikanischen Schulsystem.
Was wie ein Zufall aussieht, könnte natürlich, wie vor einigen Tagen bei Politics Daily (im Nachsatz) angedeutet, auch inszeniert worden sein: Erst die Verfilmung des High-School-Dilemmas, dann einige Blogs, die sich mit Gedanken von Obama`s Halbschwester (zu „Waiting for Superman“) auseinandersetzen, ein passendes Interview mit Bill Gates und schließlich die Neuauflage (und umfangreiche Erweiterung) einer USA-High-School-Ethik-Studie (siehe oben) mit Parallelversand einer 10 Seiten starken Ermahnung an alle Schulbetreiber, das Bullying in ihren Schulen konsequent zu verfolgen.
Aber selbst wenn an der Story etwas inszeniert sein sollte. Könnte man es US-Politikern übel nehmen, wenn sie das Volk über Kinofilme und Blogger unterrichten und auf diese Weise an der Bildungspolitik beteiligen? Es kommt bestimmt drauf an, wie man es machen würde.
Die eigentlichen Forderungen amerikanischer Lehrer scheinen mit deutschen Erkenntnissen jedoch nahezu identisch zu sein:
When it comes to what is good for our kids, the frustrating part is that we know what works. Mr. Kirkland notes that Waiting for ‚Superman‘ does a great job focusing on research-proven approaches that enable kids to succeed: great teachers, more instructional time, early childhood education and wrap-around supports. The challenge, then, is to figure out how to fix our system of school governance and finance so that we can get these game-changing components into every one of our children’s schools. (The Huffington Post)
Wenn Finanzierung allein bei den Schülern nicht ankommt, ist wohl Kreativität gefragt. Kreativ ist man übrigens auch gerade an einem kleinen Ort in Deutschland, wo man, wie wir seit Veröffentlichung der Allensbach-Studie wissen, mit Schulpolitik und Lehrern ja auch nicht immer ganz zufrieden ist. Wenn Vorurteile das Lehrerbild prägen und schlechte Noten die Schüler krank machen, sucht man natürlich auch in Deutschland nach Wegen jenseits der Nachhilfe, die den Schülern in Schule, Aus- und Weiterbildung weiterhelfen könnten. Im kleinen Troisdorf scheint man einen Weg gefunden zu haben, der sich auf Forschungsergebnisse der Hirnforschung stützt. Am Ende ist das Lernen also reine Nervensache? Nun ja, laut Video-Botschaft von Horst Köhler gehört eben manchmal auch ein bisschen Glück dazu. In amerikanischen High Schools vielleicht derzeit noch ein bisschen mehr.
Manchmal schwappen die Dinge ja nach einiger Zeit aus den Staaten zu uns nach Deutschland herüber. In Amerika verstärkt sich der „Performance-Druck“ in jedem Fall weiter, aktuell sollen in den USA schon wieder bis zu 47 City Schools geschlossen werden. Am Ende werden sich Eltern vielerorts fragen müssen, wie sie die eigenen Kinder besser unterstützen und als Vorbild fungieren können. Denn wer nicht gerne zur Schule geht, scheint in der Schule nicht all zu viel lernen zu können.